Ein neuer Hund? Und dann noch ein Hund aus dem Tierschutz?
"Oh je, der arme Kleine.... der hatte aber ein schlimmes Leben. Der muss aber jetzt erstmal in Ruhe ankommen und braucht viel Liebe und Zuneigung. Denn die hatte er ja nie."
...Unterstreichen müsste ich eigentlich das Wort "hatte". Ja er hatte ein nicht so tolles Leben. HATTE !!
Wenn ich jetzt gerade bei solch einem Neuankömmling keine Struktur in das neue Leben bringe, nicht für Ordnung und Orientierung sorge, ebenso wie klarer Kommunikation und auch klaren Grenzen, wird genau dieser Hund es ebenfalls weiterhin schwer haben. Alles zu "dürfen" macht das Leben für unsere Hund nicht lebenswerter, eher im Gegenteil. Unsere Hunde haben ein viel ausgeprägteres Verständnis von Ordnung und Struktur als wir Menschen.
Vielleicht hat der ein oder andere von euch schon mitbekommen, daß wir seit ein paar Tagen einen Pflegehund bei uns haben. Polly, sie war versteinert vor Angst als sie zu uns kam.
Sie brauchte neues Vertrauen ins Leben, vorallem aber Vertrauen in die Menschen und in unsere Welt. Mit klarer Kommunikation kann so etwas recht schnell gehen.
Aber wo ich hier ebenfalls genau hinschauen sollte, was genau bei unserer Polly der Fall ist - Wo muss ich bereit sein Grenzen enger zu stricken, sie auch mal für ihr nicht angebrachtes Verhalten zu reglementieren? Einen Hund "aufzubauen", heißt auch genau den Punkt oder auch die Situationen zu erkennen, wo ein großer Wandlungsprozess stattfindet und demnach auch zu handeln.
Ein Hund, der auf ein anderes Leben, z.B. im Ausland geprägt ist, hat es natürlich erstmal sehr schwer in unserer Welt hier klarzukommen. Aber das heißt noch lange nicht, daß es sich hier um einen "Angsthund" handelt.
Im Grunde leben unsere Hunde es uns vor. Kommt ein neuer Hund ins Rudel, wird dieser in den meisten Fällen erstmal nicht viel dürfen. Dies ist völlig normaler Prozess.
In unserem Beispiel hat Frieda Polly ziemlich auf Abstand gehalten. Polly durfte nicht viel, erst nicht aufs Bett, nicht zu nah an sie ran. Polly musste sich die Privilegien erarbeiten, Stück für Stück.
Mittlerweile darf sie schon neben Frieda liegen und das sogar mit leichter Berührung. Aber das braucht eben seine Zeit. Würde ich hier jetzt eingreifen in diesen Prozeß, weil Polly es ja mal so schlecht hatte, dann hätte ich irgendwann eine riesen Katastrophe im Rudel
Vor ein paar Tagen bei uns im Park, habe ich wie so oft mal wieder etwas beobachtet, was mich dazu bewogen hat, dieses Thema noch einmal aufzugreifen.
Eine Dame trifft mit ihrem Cocker auf einen weiteren Hund mit seinem Menschen. Der Hund, der Dame gehört eher der ruhigen Natur an. Der andere, ein mittelgroßer Mischling, das völlige Gegenteil.
Der Cocker geht in einem leichten Bogen (sehr respektvoll) auf den anderen Hund zu, dieser springt ihm, völlig respektlos mitten ins Gesicht. Der Cocker weicht sofort zurück und sucht Schutz hinter seinem Frauchen.
Soweit so gut.
Die Dame des Cockers geht allerdings zur Seite, zieht ihren Cocker an der Leine erneut in die Konfrontation mit den Worten „der tut doch gar nichts, geh ruhig mal hin“.
Ich denke dieser Dame war nicht bewusst, was sie ihrem Hund da angetan hat. Ich möchte hier keinesfalls diese Dame an den Pranger stellen, lediglich diesen Fall als Beispiel aufgreifen.
Dieser Fall dient nur einem Beispiel von leider immer noch sehr, sehr vielen, in denen das Verhalten des eigenen Hundes völlig missverstanden oder sogar übersehen wird.
Die Menschen verschließen so oft die Augen davor was ihr Hund wirklich in solch einer Situation braucht.
Ein glückliches Hundeleben? Hallo sagen, Spielen, kuscheln, fressen, schlafen....ach ja und ab und an die Geschäfte erledigen?
Ist das wirklich alles?
Will ein Hund nicht "hallo" sagen oder gar spielen? Oh je dann ist er aggressiv und gefährlich.
Ebenfalls ein weit verbreiteter Irrtum.
Aggression ist eine ganz natürliche Art der Kommunikation unter Hunden. Nicht jeder Hund der ein Verhalten der Aggression zeigt, gilt automatisch als gefährlich.
Um hier mal wieder das Beispiel des oben genannten Cockers aufzugreifen, es wäre völlig verständlich gewesen, wenn der Cocker nun mit aggressivem Verhalten gehandelt hätte.
Was bleibt ihm in so einem Moment denn sonst? Er hatte die Variante des Rückzugs gewählt, diese hat nicht funktioniert, ......
Ein Hund, der zumindest relativ gut sozialisiert ist, weiß schon ganz genau, wie er in solchen Situationen agiert. Natürlich kann ich als Mensch hier und da einschreiten, gerade bei, aus Sicht des Menschen „unangemessenem Verhalten“ des Hundes und mit dem Hintergrund hier wirklich einschätzen zu können, was mein Hund braucht.
Nicht jeder Mensch kann das Verhalten von seinem Hund in jeder Situation, oder auch Hundeverhalten allgemein, komplett deuten. Darauf will ich auch gar nicht hinaus.
Lebe ich allerdings mit einem Lebewesen, in diesem Falle einem Hund zusammen, macht es doch Sinn, sich selbst so gut es geht zu schulen, um den eigenen und im besten Falle auch das Verhalten anderer Hunde, zumindest annähernd verstehen zu können. Denn auch nur das macht es mir möglich mit meinem Hund so kommunizieren zu können, daß er dies auch verstehen kann.
Bei der Entscheidung für einen Hund stehen oft Fragen im Vordergrund, wie: - Habe ich genug Zeit für einen Hund? Wie lang muss ein Hund täglich allein bleiben? Habe ich Geld um für Kosten wie Tierarzt und Futter etc aufzukommen? Wohin mit dem Hund im Urlaub oder bei Krankheit? ......
Wie wäre es denn im Vorfeld mal mit der Frage: Warum möchte ich einen Hund? Welche Erwartungen habe ich an diesen? Und, sind diese Erwartungen wirklich hundgerecht? Was kann ich selbst tun um der Beziehung zwischen mir und meinem Hund eine Richtung zu geben?
Heutzutage gibt es einiges an guter Literatur, es gibt einige gute Trainer, es werden Workshops, Kurse, Einzeltermine, Beratungen angeboten....
Es kann helfen den eigenen Hund einfach mal zu beobachten und auch das Selbstverständliche, Alltägliche mal zu hinterfragen. Warum zeigt mein Hund gerade dieses oder jenes Verhalten?
Sich selbst beim Spaziergang z.B. filmen zu lassen und das ganze mal in aller Ruhe "von aussen" anzuschauen.
Hilfreich kann es auch sein, sich einmal auf eine Hundewiese zu setzen und einfach nur zu beobachten was so geschieht. Gerade in Situationen, in denen man selbst nicht beteiligt ist, ist es um vieles einfacher zu beobachten und das ganze Geschehen einmal auf sich wirken zu lassen.
Verurteilt in dem Moment allerdings niemanden für sein Verhalten, denn ihr kennt als Aussenstehender keine Hintergründe. Lasst es einfach nur auf euch wirken und schaut was ihr daraus für euch und euren eigenen Hund für Erkenntnisse gewinnen könnt.